Die Serie „Them: The Scare“ auf Amazon Prime: Der Schatten als Spiegelbild (2024)

Es gibt Anthologie-Serien, in denen jede Folge eine abgeschlossene Handlung hat. „Black Mirror“ ist eine solche Serie. Dann gibt es Anthologieserien, bei denen jede einzelne Staffel eine abgeschlossene Handlung erzählt. In der Serie „Fargo“ oder in der Horrorserie „American Horror Story“ gleicht jede Staffel einer abgeschlossenen Miniserie. „Them“ ist eine Anthologieserie der letzteren Form, für die nun erschienene zweite Staffel bedarf es keines Vorwissens.

Die Handlung in „Them: The Scare“ teilt sich in zwei Stränge. Da ist zum einen die Geschichte um Dawn Reeve (Deborah Ayorinde), die als Detective im Los Angeles der 1990er Jahre ermittelt. Sie lebt als Alleinerziehende mit ihrem Sohn Kelvin bei ihrer Mutter Athena. Der jugendliche Kelvin verschweigt den Beruf seiner Mutter in der Schule, und das hat einen Grund, denn Dawn Reeve wird als schwarze Polizistin von gleich zwei Seiten angefeindet. Auf der einen Seite stehen die weißen Kollegen, die Dawn rassistisch beleidigen, allen voran ihr anfänglicher „Partner“ Ronald McKinney (Jeremy Bobb), der sich in jeder Szene als Rassist beweisen muss. Auf der anderen Seite stehen schwarze Zivilisten, die ihr Verrat an der eigenen Community vorwerfen. Das erschwert die Arbeit an einer Reihe von mysteriösen Morden, die, da sie an gesellschaftlichen Minderheiten begangen werden, wenig Beachtung finden.

Den Tod im Spiegel betrachten

Dann gerät Reeve selbst unter Vedacht. Hatte sie doch mit allen Opfern Kontakt, bevor sie starben. Die Todgeweihten erzählten ihr von einem Mann mit rotem Haar, der ihnen im Spiegel erscheine und den Tod ankündige. Die rothaarige Figur geht auf die Kinderbuchfigur „Raggedy Andy“ von 1920 zurück, dessen fiktive Begleiterin „Raggedy Ann“ wiederum Pate für die im Horrorgenre allseits bekannte „Annabell“ stand.

Der zweite Handlungsstrang folgt Edmund Gaines (Luke James). Edmund ist ein archetypischer Verlierer. In seiner Kindheit wurde er von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht und schwer misshandelt. Seinem Traum, Schauspieler zu werden, eilt er in zahlreichen Vorsprechen erfolglos und gedemütigt hinterher. Zunehmend vereinzelt, entwickelt er sich vor der Kulisse von Kinderspielhallen und Kuscheltieren zu einem gewalttätigen Sonderling. Bis zum wahnsinnigen Serienmörder scheint es nicht mehr weit.

Die Serie „Them: The Scare“ auf Amazon Prime: Der Schatten als Spiegelbild (1)

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Der Titel „Them“ kann als „die anderen“ verstanden werden. In der ersten Staffel der Serie waren damit vor allem Weiße in den USA der 1950er gemeint, die Schwarze wie Außerirdische behandelten. In der zweiten Staffel zieht die Serie die Grenze zu „den anderen“ zwischen gesellschaftlichen Aufsteigern und sozialen Verlierern. Diese Trennung ist für den klassischen Horror typisch; eine unsichtbare Mauer, die zwei Welten voneinander trennt, bekommt im Verlauf der Geschichte Risse und der Kontakt aus der einen zur anderen Welt schafft die Grundlage für das Unheimliche. „Them“ stellt sich aber ganz bewusst in eine Tradition mit dem sogenanntem „Blackhorror“.

Die klassische Grenze, an deren Überschreitung sich das Unheimliche im Blackhorror entzündet, verläuft nicht mehr hauptsächlich zwischen dem Irdischen und dem Übernatürlichen, sondern zwischen schwarzer und weißer Hautfarbe. Jordan Peele gilt seit dem Film „Get Out“ als Großmeister dieses Horrors. Donald Glover, bekannt aus der Serie „Mr. und Mrs. Smith“ oder „Atlanta“, hat es ihm mittlerweile gleich gemacht. Er schrieb Teile der Serie „Swarm“, die vom Fanatismus und der Einsamkeit einzelner Fans einer fiktiven, schwarzen Sängerin (in Anlehnung an Beyoncé) erzählt.

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Die zweite Staffel von „Them“, die wie schon die erste Staffel von Little Marvin geschrieben wurde, erreicht jedoch nicht das Niveau von Glovers „Swarm“, obwohl bei einzelnen Folgen Stars wie Guillermo Navarro mitgewirkt haben. Es liegt nicht an den Schauspielern: Sowohl Debora Ayorinde, die in der ersten Staffel von „Them“ in anderer Rolle zu sehen war, als Detective Reeve, als auch Luke James als Edmund Gaines überzeugen als verzweifelte, den Halt verlierende Figuren. Doch neben diesen beiden vielschichtigen Figuren präsentiert uns Little Marvin nur Abziehbilder. Besonders deutlich wird das beim Cop-Kollegen McKinney, der recht eindimensional die Figur des rassistischen Polizisten spielt, dem ein Laken und ein weißer Spitzhut sicherlich besser stünden als die Polizeiuniform. Während Peele und Glover Rassismen nicht in Plattitüden übersetzen, sondern subtil, fast homöopathisch einsetzen, werden die Konflikte in „Them“ offen, und oft plakativ ausgetragen. Hinzu kommen Ungereimtheiten im Drehbuch, die den Grund für bestimmte Morde im Unklaren lassen. Die anspruchsvolle Bildgestaltung, eine spannende Handlung und ein einfallsreicher Schnitt geben „Them: The Scare“ jedoch einen angsteinflößenden Reiz. Außerdem bietet das Drehbuch mindestens eine unerwartete Wendung, die gestalterischen Neuwert besitzt. Sehenswert ist das in jedem Fall.

Them: The Scare läuft bei Amazon Prime.

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